„Man bekommt ganz viel
zurück“. Wenn Ursula B. von ihrem Ehrenamt in der Justizvollzugsanstalt (JVA)
Bochum erzählt, spürt man sofort, wie sehr ihr diese Aufgabe am Herzen liegt. Seit
einem Jahr begleitet die 70-Jährige zweimal im Monat die Vater-Kind-Gruppe in
der Haftanstalt, die vom SKM – Freie Straffälligenhilfe der Caritas Bochum
angeboten wird. Außerdem hat sie die Betreuung eines Gefangenen übernommen.
Aktuell engagieren sich etwa 30 Männer und Frauen ehrenamtlich in der
Straffälligenhilfe. Sie unterstützen die Familien- und Paarseminare,
organisieren eigenständig Gruppenangebote und Gesprächskreise oder begleiten
einzelne Inhaftierte. Mit dabei ist seit 2005 auch der pensionierte Ingenieur
Hubert Haarmann. Nach einem sechsmonatigen Vorbereitungskurs half er zunächst
einem entlassenen Häftling bei der Reintegration. Anschließend brachte er einem
inhaftierten Kurden mit viel Geduld das Lesen und Schreiben bei. Aktuell führt er
einmal in der Woche interessierte Häftlinge in das "Einmaleins der
Technik" ein. Die Männer sind dankbar für dieses regelmäßige Angebot.
"Einer hat mal zu mir gesagt: 'Hier komme ich endlich mal auf andere
Gedanken und kann für zwei Stunden abschalten'. Das war ein richtig schönes
Kompliment", erinnert sich der 64-Jährige.
Welche Straftat die Männer begangen haben, will Hubert Haarmann nicht wissen:
"Ich sehe in den Inhaftierten nicht allein den Täter, sondern vor allem
den Menschen. Und um diese muss sich ja auch jemand kümmern." Die
Caritas-Mitarbeiter Birgitta Brämer und Wolfgang Frewer sehen das ähnlich:
"Man muss die Inhaftierten so nehmen, wie sie sind, und darf sie nicht
vorverurteilen". Diese unvoreingenommene Haltung Straftätern gegenüber ist
bei Weitem nicht selbstverständlich. Beide Ehrenamtlichen haben schon des
Öfteren erlebt, dass ihr Engagement bei anderen auf Befremden stößt.
"Damit kann man nicht punkten. Es gibt ziemlich viele Vorurteile",
sagt Haarmann nachdenklich.
Dennoch können sich die Rentner einen Alltag ohne die regelmäßigen Einsätze in
der JVA Bochum nicht mehr vorstellen. "Solange meine Gesundheit das
zulässt, werde ich weitermachen", ist Ursula B. entschlossen. "Ich
habe hier viel für mich gelernt. Zum Beispiel kann ich mich jetzt viel besser
abgrenzen und auch mal Nein sagen. Das ist mir früher schwer gefallen."
Ein Erlebnis von Weihnachten ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben:
"Da hat mich einer der Männer, so ein richtiger Schrank, in den Arm
genommen und hat zu mir gesagt: 'Wie schön, dass du da bist!' Wenn ich daran
denke, wird mir immer noch ganz warm ums Herz."
Wer sich ebenfalls ehrenamtlich in der Freien Straffälligenhilfe engagieren
möchte, kann ab dem 5. Januar 2016 unter Telefon 0234. 30705-30 Kontakt zur
Freien Straffälligenhilfe des Caritasverbands für Bochum und Wattenscheid
aufnehmen und sich persönlich beraten lassen. Bedingung für die Aufnahme der
Betreuungsarbeit ist die Teilnahme an einem Vorbereitungskurs, der nach Ostern
starten wird. Themen sind u. a. das "Einmaleins des 'Knastes' ",
"Nähe und Distanz" sowie "Suchtverhalten".