Wachsende Armut,
zunehmende Vereinsamung, der Umgang mit Zuwanderung: Rund 100 Experten haben am
Dienstag in Bochum über die Zukunft der Caritasarbeit im Bistum Essen
diskutiert. Angesichts eines derzeit laufenden Beratungs- und
Entwicklungsprozesses hatten die zehn Caritas-Ortverbände zu einem Studientag
über die künftige inhaltliche Ausrichtung eingeladen. Unter dem Titel „Caritas
unplugged“ stand das Verhältnis des katholischen Wohlfahrtsverbandes zur Kirche
im Zentrum.
Der Münsteraner
Domkapitular
Dr. Klaus Winterkamp
, bis vor kurzem
selbst Vorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Münster, brachte es
auf den Punkt: „Um gesellschaftliches Mitspracherecht zu behalten, braucht die
Kirche institutionalisierte und professionelle Träger sozialer Arbeit. Die
Frage ist nur, mit welchen Schwerpunkten und mit welcher inhaltlichen Ausrichtung.“
Dieser Prozess sei aber weder neu noch einzigartig. „In vielen Bistümern findet
derzeit eine solche Neufindung von Kirche und ihrer Caritas statt“, so
Winterkamp. Er sieht Caritas und Kirche vor denselben Zukunftsentwicklungen.
„Wir werden kleiner, vielfältiger und flexibler“, prognostiziert Winterkamp,
vormals Vorsitzender der Profilkommission des Deutschen Caritasverbandes. „Die
Caritas wird sich noch lokaler, dezentraler und vernetzter mit den Pfarrei- und
Gemeindestrukturen aufstellen müssen.“
Professor Dr. Hermann Steinkamp
, zweiter Referent des Tages, beklagte
ein Gegenüber von Gemeinden und Caritas. „Es gibt eine fehlerhafte
Arbeitsteilung zwischen Gemeinden und Caritasverbänden. Gottes- und
Nächstenliebe sind nicht trennbar. Wenn der Gottesdienst ausfällt, kommt Panik
auf. Wenn eine Gemeinde nicht diakonisch wirkt, fällt das kaum auf“,
konstatierte der Religionssoziologe. „Die Gemeinden überlassen vielfach die
caritative Sorge dem Verband“, so der emeritierte Professor aus Münster.
Kernkompetenz diakonischer Arbeit bleibe es, „berührbar zu sein, wenn uns die
Not anspringt.“ Wie Gemeinde Caritas und wie Caritas Gemeinde sein kann, sei
bei den anstehenden Veränderungen von zentraler Bedeutung. Steinkamp sieht die
Caritas künftig nicht mehr nur als Träger von Einrichtungen wie Altenheimen,
Kindergärten oder Krankenhäusern. „Caritas muss Betroffene mehr zur
Selbstorganisation und Selbsthilfe befähigen und Hilfsangebote vernetzen“,
argumentierte Steinkamp.
Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes
sieht die Zukunft der konkreten
Arbeit für und mit Menschen vor Ort: „Wir müssen noch stärker in den
Stadtteilen denken und handeln und lokal ansprechbar bleiben – eben nah am
Menschen“, sagte Meiwes in der anschließenden Podiumsdiskussion. Gleichzeitig
stehe man vor der Herausforderung, in größeren Räumen denken und dazu
möglicherweise Strukturen anpassen zu müssen. „Beides müssen wir zusammen
bekommen“, sagte Meiwes vor dem Hintergrund der im Bistum Essen angekündigten
Kürzungen der Kirchensteuerzuweisungen für die Caritas.
Aus kommunalpolitischer Sicht bestätigte der
Essener Sozialdezernent Peter
Renzel
die Wichtigkeit lokaler und stadtteilnaher Caritas-Arbeit. „Wir
brauchen die professionelle Caritas. Wir brauchen sie als Sozialverbände vor
Ort, so nah wie möglich bei den Menschen.“ Gleichzeitig sieht er einen größer
werdenden Wettbewerb mit kleinen und privaten Anbietern. „Der wird in Zukunft
noch stärker“, prophezeit Renzel.
Auch der
Seelsorgeamtsleiter des Bistums Essen, Dr. Michael Dörnemann
,
sieht die Bedeutung kirchlich-caritativer Arbeit: „Kirche will sich nicht aus
der Fläche zurückziehen. Kindergärten, Caritas-Treffpunkte oder Gemeindezentren
sind kirchliche Orte. Diese Formen kirchlicher Präsenz müssen wir auch als
solche darstellen“, so Dörnemann.
Nach Vorträgen und Podiumsdiskussion berieten die 100 Vertretungen aus
Ortscaritas- und Fachverbänden, Bischöflichem Generalvikariat und
Diözesan-Caritasverband sowie Pfarreien, welche Inhalte künftig unverzichtbar
seien. Themen wie „Demographischer Wandel“, „Zuwanderung“, „Wachsende Armut“
und die weiter um sich greifende Vereinsamung kristallisierten sich als
Kernpunkte heraus.
„Das war ein guter Auftakt. Mit diesen Impulsen wollen wir jetzt
weiterarbeiten“, resümierte
Dr. Andreas Trynogga (Bottrop)
, Sprecher der
Ortscaritasverbände im Bistum Essen. „Wir werden unsere Vergangenheit nicht als
Sofa, sondern als Sprungbrett nutzen“, so Trynogga, „und uns den Zukunftsfragen
selbstbewusst und selbstkritisch stellen. Wir wissen dabei um unsere Stärken,
die wir in den kirchlichen Veränderungsprozess einbringen können.“
Caritasverband für
das Bistum Essen e.V.
Michael Kreuzfelder
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