TelefonSeelsorge
- Aus dem Alltag eines verschwiegenen, stillen Dienstes - bedingungslos und
ohne Vorurteile
„Jetzt
geht´s mir schon besser, ich kann mal wieder durchatmen.“ - Solche oder
ähnliche Sätze hören Menschen, die ehrenamtlich für die TelefonSeelsorge
arbeiten, häufiger. Und diese Sätze sind ein großer Erfolg.
Sie sind Lehrer, Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Industriekaufleute,
Verwaltungsleute, Hausfrauen, Arbeitslose, und etwa ein Viertel von ihnen ist
im Ruhestand. So in etwa setzt sich die Gruppe der Ehrenamtlichen bei der
TelefonSeelsorge Duisburg zusammen, die außerdem für die Städte Mülheim und
Oberhausen aktiv ist. Mit 58 Jahren liegt der Altersdurchschnitt relativ hoch.
„Etwa 85 % unserer Ehrenamtlichen sind Frauen.“, erklärt Olaf Meier (53).
Der gelernte Theologe und Psychologe ist der Beauftragte des Ruhrbistums für
die TelefonSeelsorge. „Auch wenn wir keine Altersbeschränkung für diese
Tätigkeit vorgeben, suchen wir immer Leute, die Lebenserfahrung haben und die
eine gewisse Kontinuität bieten können, um verlässlich planen zu können.“
Die TelefonSeelsorge im Bistum Essen beschäftigt rund 230 Ehrenamtliche an
ihren drei Standorten Duisburg, Bochum und Essen und ist in allen Städten mit
unterschiedlichen Modellen ökumenisch organisiert. Kontinuierlich erhalten die
Ehrenamtlichen Supervisionen, Aus- und Fortbildungen, die von Profis
durchgeführt werden. „Und das ist auch wichtig“, wie Hildegard Burgsmüller
(Name geändert) bestätigt. Die 55-jährige Hausfrau ist nach einem Lehramtsstudium
und der Erziehung ihrer drei Kinder seit 2003 dabei. Ihr Interesse für die
TelefonSeelsorge wurde damals – hochschwanger – während des Studiums durch
einen Anruf bei der TelefonSeelsorge geweckt. „Ich habe mich damals bei diesem
Testanruf einfach gut aufgehoben gefühlt. Nachdem meine Kinder alt genug waren
und ich wieder etwas Zeit für mich hatte, wollte ich etwas für die eigene
Persönlichkeit und für die Gesellschaft tun. Ich habe mich an das Gespräch
während meines Studiums erinnert und mich hier beworben.“ Und sie erklärt
weiter: „Es sind die Gespräche mit den Menschen am Telefon, die einen sozusagen
´erden´. Ich werde hier bei meiner Arbeit als TelefonSeelsorgerin mit Problemen
konfrontiert, die ich aus eigener Erfahrung so nicht kenne. Es ist jedes Mal
auch eine Begegnung mit sich selbst“, erklärt Hildegard Burgsmüller, „Wenn etwa
mal ein Gespräch ´misslingt´, ist das wie eine Hausaufgabe für mich. In der
Supervisionsgruppe klären wir dann, was passiert ist, ob das Gespräch womöglich
eigene wunde Punkte berührt hat.“
Oft melden sich Menschen bei der TelefonSeelsorge, weil sie Probleme
haben mit Tod, Trauer, Partnerschaft, Sucht und - ganz entscheidend -
Einsamkeit. „Ich habe großen Respekt vor vielen Menschen, die bei uns anrufen
und bin immer wieder erstaunt, wie zum Beispiel Menschen in Armut es schaffen,
klar zu kommen.“, so Hildegard Burgmüller. „Denn es sind mehr geworden“, sagt
Olaf Meier, „die uns anrufen und auch vor Augen führen, wie es sich anfühlt,
arm zu sein.“
Für einige Anrufer ist der Anruf bei der TelefonSeelsorge das einzige
Gespräch am Tag. Das sind oft Menschen mit Bewegungseinschränkungen oder
Menschen, die an Depressionen leiden. Aber es gibt auch Dauergäste am Hörer,
die sich einfach nur entlasten wollen. Olaf Meier erklärt: „Wir haben hier
Menschen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten bei uns anrufen. Für diese
Menschen sind wir Alltagsbegleiter.“ Hildegard Burgsmüller ergänzt: „Wir machen
uns dann hier schon Sorgen, wenn ein Daueranrufer sich eine gewisse Zeit nicht gemeldet
hat. Und das ist vielleicht auch der Wermutstropfen bei dieser Arbeit: Wir
bekommen hier so gut wie nie eine Rückmeldung, denn die TelefonSeelsorge ist
ein anonymer, verschwiegener und stiller Dienst.“ Anonymität ist aber auch ein
Schutz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So wird sichergestellt, dass
ein Anrufer nicht privat Kontakt aufnehmen kann. Alle Rufnummern werden
unterdrückt, und die Telekom übernimmt alle Kosten auch für andere Anbieter und
für Weiterleitungen für den Fall, dass eine TelefonSeelsorge mal nicht besetzt
ist. Dann wird automatisch auf die räumlich nächst gelegene Telefonseesorge
weitergeleitet.
Nachts sind Gespräche oft intensiver, manchmal begleitet von anhaltendem
Schweigen oder auch Weinen. Die Menschen - auch die TelefonSeelsorger selbst -
sind dünnhäutiger, bisweilen getroffen von der eigenen Ratlosigkeit. Ganz im
Gegensatz zur landläufigen Meinung ist nicht Weihnachten eine Zeit, in der die
TelefonSeelsorge stark in Anspruch genommen wird, sondern Silvester. Hier wird
Einsamkeit besonders krass, wenn Menschen auf ein vielleicht schlechtes Jahr
zurückschauen.
Hildegard Burgsmüller: „Wir sind keine Problemlöser, aber wir können Menschen
für den Moment entlasten. Wir helfen, selbst wenn wir nur zuhören. Es ist jedes
Mal ein toller Erfolg, wenn es gelingt, gemeinsam mit einem Anrufer zu lachen,
oder wenn ein Anrufer sagt ´Das Gespräch hat mir jetzt echt gut getan!´ – Das
ist längst nicht immer der Fall. Im Schnitt ruft mindestens jeden zweiten Tag
ein Mensch mit dem Gedanken oder gar der Absicht an Selbsttötung an. Die
Besonderheit der TelefonSeelsorge in Duisburg, die für die Städte Duisburg,
Mülheim und Oberhausen zuständig ist: Sie kann in solchen Fällen an die
Krisenbegleitung weitervermitteln, die der TelefonSeelsorge direkt
angeschlossen ist. Etwa die Hälfte dieser Anrufer nimmt das Angebot an.
Olaf Meier erklärt, die Zahl der Anrufer habe abgenommen. Von 60.000 im
Jahr 2009 auf 54.000 im Jahr 2010. Ein Grund sich zu freuen oder sich Sorgen zu
machen? „Weder noch“, sagt Olaf Meier, „denn die Dauer der einzelnen Gespräche
ist länger geworden. Der Rückgang bei den Anrufern hat aber vielleicht auch
damit zu tun, dass sich das Kommunikationsverhalten gerade bei den jüngeren
Menschen wandelt. Hier werden heute mehr Beratungen über die Chat- und
Mailberatung angenommen, die die TelefonSeelsorge im Ruhrbistum auch anbietet.
Dies geht über telefonseelsorge.org.“
Die „ehrenamtlichen Telefonwächter“, wie es früher hieß, verpflichten sich
für eine monatliche Präsenz von ca. 15 Stunden. Hinzu kommen die einjährige
Ausbildung, die Supervision einmal im Monat und diverse Fortbildungen.
Die TelefonSeelsorge im Ruhrbistum sucht ständig Freiwillige, die sich für
mehrere Stunden im Monat verpflichten, „Dienst am Hörer“ zu tun. Interessierte
sollten Offenheit und Toleranz mitbringen. Sie sollten belastbar sein, eine
bewältigte Krisenerfahrung ist von Vorteil, aber nicht Bedingung. Hildegard
Burgsmüller: „Der Dienst bei der TelefonSeelsorge macht bescheidener und
behutsamer mit Vorurteilen.“ (Christoph Grätz)
Foto: Hildegard Burgsmüller beim „Dienst am Hörer“, Foto: Grätz
TelefonSeelsorge
im Bistum Essen seit 1974
rund
um die Uhr - anonym – gebührenfrei
Tel.
0800 111 0 111 oder Tel. 0800 111 0 222
3
Hauptstandorte mit 230 Ehrenamtlichen:
-
Duisburg
für Duisburg, Mülheim und Oberhausen
-
Essen
für Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop; parallel dazu
eine
evangelische TelefonSeelsorge mit dem gleichen Einzugsgebiet
-
Bochum
für Bochum, Wattenscheid, Hattingen, Herne, Wanne-Eickel,
Witten
Ehrenamtliche
leisten im Schnitt 15 Stunden Dienst pro Monat plus Fortbildungen und
monatliche Supervisionsgruppen
Im
2009: 60.000 Anrufe; im Jahr 2010: 54.000 Anrufe
Träger
der TelefonSeelsorge sind die jeweiligen örtlichen Caritasverbände
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