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Stand: 07.05.2019

Pressemitteilung

"Nach dem Dauersprint kommt der Marathon"

pressegespraech-140915-300.jpg In der aktuellen Flüchtlingskrise warnt die Caritas im Bistum Essen vor einer Überlastung der Ruhrgebiets-Städte. „Wir müssen jetzt gemeinsam die Krise bewältigen“, so Andreas Meiwes, Caritasdirektor für das Bistum Essen. Meiwes fordert vom Bund noch stärkere finanzielle und logistische Hilfen für die überlasteten Kommunen. „Die Städte und das Land sind seit Wochen im Katastrophenmodus. Sicher, satt, sauber und warm: Das ist alles, was gerade geht, für etwas anderes bleibt keine Zeit“, beschreibt Meiwes die Situation vor Ort. „Die errichteten Zeltdörfer reichen bald nicht mehr. Bei den weiter steigenden Prognosen ist eine Besserung nicht in Sicht.“ Sollten 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen, würden die Kommunen im Bistum Essen mehr als 21.000 aufnehmen müssen.

Beispiel Bochum: „Die Zahlen müssen wöchentlich nach oben korrigiert werden“, so Ulrich Kemner, Caritasdirektor für Bochum und Wattenscheid. Bochum habe aktuell etwa 3 400 Flüchtlinge aufgenommen. „Ihre Anzahl und die damit verbundenen Aufgaben werden steigen.“ Vor allem würden derzeit Wohnungen für schon anerkannte oder geduldete Flüchtlinge fehlen. „Mit der Kommune rufen wir erneut Wohnungsvermieter und -gesellschaften auf, Wohnraum anzubieten“, so Kemner. Aber: „Bochum hält zusammen, packt an und zeigt sich als ein weltoffenes, gastfreundliches Gemeinwesen.“ Das freiwillige Engagement sei beeindruckend. Das sieht auch Stadtdechant Michael Kemper so: „Überall, wo Flüchtlinge in Bochum leben, bringen sich Christen in ihrem Stadtteil ein. Flüchtlingshilfe muss nicht katholisch sein - Hauptsache, sie geschieht. Die Flüchtlinge sind ein Segen. Sie rufen in uns das Beste hervor: tatkräftige Zuwendung. Das ist mehr als ein Sommermärchen. Es ist ein Wunder." Kemner: „Damit dies weiterhin geschehen kann, muss den Kommunen eine systematische, strukturelle Finanzierung durch Bund und Land gegeben werden, rechtliche Vorgaben müssen flexibilisiert und Verfahrensabläufe beschleunigt werden.“

Unterbringung und medizinische Versorgung sind das größte Problem

Auch in den anderen Städten des Ruhrgebiets ist vor allem die Unterbringung derzeit das größte Problem. Als Provisorien seien Turnhallen und Zeltdörfer unvermeidlich, „das darf aber nicht zum Dauerzustand werden“, mahnt Andreas Meiwes. Auch, weil jede Einschränkung von Bürgern den derzeit noch herrschenden gesellschaftlichen Konsens in Frage stelle. „Es ist die Aufgabe aller, dafür zu sorgen, dass die Stimmung nicht kippt. Dazu gehört es einerseits Bedenken ernst zu nehmen und gleichzeitig unnachgiebig und konsequent für Menschenfreundlichkeit einzustehen.“ Problem bleibe auch die medizinische Versorgung, die durch die hohe Zahl der täglich ankommenden Flüchtlinge nahezu unmöglich geworden ist. „Leider werden in zunehmendem Maße ernste Erkrankungen und sogar akute Notfälle erst Tage nach dem Eintreffen entdeckt“, so Meiwes. Er bittet die Kommunen, die vom Landes-Gesundheitsministerium geschlossene Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen, die einen unbürokratischen Zugang zum Gesundheitssystem per Chipkarte ermöglicht, schnellstmöglich umzusetzen.

Darüber hinaus fordert die Caritas im Ruhrbistum schnellere Asyl-Verfahren. „Wir brauchen alle Kapazitäten, für die, die bleiben. Für Menschen, die wirklich keine Chance auf Anerkennung haben, muss das rechtlich schneller klar sein.“ Mit Blick auf die Balkan-Flüchtlinge meint Meiwes: „Wenn doch klar ist, dass sie nicht bleiben können, ist eine schnelle Rückführung besser. Ein langer Aufenthalt hier erschwert die Reintegration in den Heimatländern.“ Dafür sei das Bilden von Zentren zwar nicht optimal, „aber bei den Massen, wohl derzeit anders nicht zu lösen.“ Deutschland könne nicht alle Menschen, die ihre Lebenssituation verbessern wollen, aufnehmen. Gleichzeitig verwehrt sich Meiwes gegen das Aufteilen in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse: „Asylrecht ist und bleibt ein Grundrecht ohne Zahlen-Limit.“

Bischofsfonds fördert 35 Projekte

„Derzeit gibt es immer noch eine große Hilfsbereitschaft. Wir können stolz sein, auf die Menschen hier im Ruhrgebiet“, so Meiwes. Tagtäglich gehen bei der Caritas Hilfsangebote in großer Zahl ein. „An vielen Stellen kommen wir nicht hinterher. Diese Hilfsbereitschaft muss professionell organisiert und koordiniert werden. Dafür brauchen wir schnell bezahlte Kräfte in der jeder Stadt“, so Meiwes. Wie etwa in Bochum: Neben der einen Ansprechpartnerin bei der Stadt für das Ehrenamt gibt es bei der katholischen Stadtkirche mit Pastor Köster einen kirchlichen Flüchtlingsbeauftragten. Gemeinsam mit der Caritas und dem Katholikenrat wird das ehrenamtliche Engagement der kirchlichen Gemeinden vernetzt. Bei der Caritas gibt es Fachkräfte zur Beratung und Unterstützung.

Die Caritas selbst bietet nicht nur Möglichkeiten, sich einzubringen (siehe unten). Bistum, Pfarreien und Caritas koordinieren in Runden Tischen Hilfe und haben bereits mit einer Schulungsreihe für Ehrenamtliche begonnen. „Der Andrang ist riesig. Die Caritas vor Ort wird die Schulungen jetzt in weiteren Städten des Ruhrgebiets und im märkischen Sauerland anbieten“, kündigt Meiwes an.

Niederschwellige Sprachkurse, Sportangebote und ein Zirkusprojekt: Mit dem Geld aus dem von Bischof Overbeck aufgelegten Flüchtlingsfonds konnten bislang 35 Projekte mit rund 160.000 Euro finanziert werden. Die Projekte laufen in Kirchengemeinden, kirchlichen Initiativen und der Caritas. Hauptaugenmerk ist die Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit. Weitere Anträge sind möglich.

Übersicht über Hilfsmöglichkeiten

„Wir sind mitten in einem sehr langen Sprint und haben dann noch einen Marathon vor uns. Wir werden unsere ganze Kraft und Kondition brauchen für die Integration der Menschen“, so Meiwes. Dafür seien vor allem Wohnungen, mehr Sprachkurse, die unbürokratische Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und gesetzliche Regelungen für einfachere Arbeitsmöglichkeit nötig. Die Caritas sei nicht erst vor kurzem in die Flüchtlingshilfe eingestiegen. „Das machen wir seit Jahrzehnten“, so Meiwes. Diese Erfahrung bringe man derzeit in den Kommunen ein. Und: „Die Caritas hat immer geholfen und wir werden auch dann noch da sein, wenn die Welle vorüber ist, wenn keiner mehr über Flüchtlinge redet“, kündigt Meiwes an.

Kleiderkammern, Mittagstische, Deutschkurse, Vermittlung von Wohnungen, Beratung in Notunterkünften, Erstaufnahme-Einrichtungen und Übergangswohnheimen, Rückkehrer-Beratung, Traumatherapie, Patenschaften für unbegleitet minderjährige Flüchtlinge, Ausbildung von Integrationslotsen: „Die Caritas hilft im gesamten Bistumsgebiet nach Kräften, engagiert, professionell und mit einer Vielzahl von Angeboten“, so Meiwes. Unter www.cartias-essen.de/fluechtlinge gibt es einen Überblick, wo und wie die Caritas hilft und wie sich Ehrenamtliche engagieren können.

„Gott heißt alle willkommen!“ Unter diesem Motto lädt die Caritas am Sonntag, 20. September, Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer nach Bochum ein. Anlässlich des bundesweiten Caritas-Sonntages feiern Flüchtlingsfamilien und ehrenamtliche Helfer um 9 Uhr einen Gottesdienst mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Danach gibt es ein Begegnungsfest. Mit dem diesjährigen Caritas-Sonntag im Bistum Essen will die katholische Kirche auf die Situation von Flüchtlingen hinweisen und das wichtige Engagement am Beispiel der Stadt Bochum würdigen.

 

Michael Kreuzfelder

Caritasverband für das Bistum Essen e.V.
Leiter der Stabsstelle Kommunikation / Pressespreche r  

Annette Borgstedt
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Caritasverband für Bochum
und Wattenscheid e.V.
Huestr. 15
D 44787 Bochum
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