In
der aktuellen Flüchtlingskrise warnt die Caritas im Bistum Essen vor einer
Überlastung der Ruhrgebiets-Städte. „Wir müssen jetzt gemeinsam die Krise
bewältigen“, so Andreas Meiwes, Caritasdirektor für das Bistum Essen. Meiwes
fordert vom Bund noch stärkere finanzielle und logistische Hilfen für die
überlasteten Kommunen. „Die Städte und das Land sind seit Wochen im
Katastrophenmodus. Sicher, satt, sauber und warm: Das ist alles, was gerade
geht, für etwas anderes bleibt keine Zeit“, beschreibt Meiwes die Situation vor
Ort. „Die errichteten Zeltdörfer reichen bald nicht mehr. Bei den weiter
steigenden Prognosen ist eine Besserung nicht in Sicht.“ Sollten 800.000
Flüchtlinge nach Deutschland kommen, würden die Kommunen im Bistum Essen mehr
als 21.000 aufnehmen müssen.
Beispiel Bochum: „Die
Zahlen müssen wöchentlich nach oben korrigiert werden“, so Ulrich Kemner,
Caritasdirektor für Bochum und Wattenscheid. Bochum habe aktuell etwa 3 400
Flüchtlinge aufgenommen. „Ihre Anzahl und die damit verbundenen Aufgaben werden
steigen.“ Vor allem würden derzeit Wohnungen für schon anerkannte oder
geduldete Flüchtlinge fehlen. „Mit der Kommune rufen wir erneut
Wohnungsvermieter und -gesellschaften auf, Wohnraum anzubieten“, so Kemner.
Aber: „Bochum hält zusammen, packt an und zeigt sich als ein weltoffenes,
gastfreundliches Gemeinwesen.“ Das freiwillige Engagement sei beeindruckend.
Das sieht auch Stadtdechant Michael Kemper so: „Überall, wo Flüchtlinge in
Bochum leben, bringen sich Christen in ihrem Stadtteil ein. Flüchtlingshilfe
muss nicht katholisch sein - Hauptsache, sie geschieht. Die Flüchtlinge sind
ein Segen. Sie rufen in uns das Beste hervor: tatkräftige Zuwendung. Das ist
mehr als ein Sommermärchen. Es ist ein Wunder." Kemner: „Damit dies
weiterhin geschehen kann, muss den Kommunen eine systematische, strukturelle
Finanzierung durch Bund und Land gegeben werden, rechtliche Vorgaben müssen
flexibilisiert und Verfahrensabläufe beschleunigt werden.“
Unterbringung und medizinische Versorgung sind das größte Problem
Auch in den anderen Städten des
Ruhrgebiets ist vor allem die Unterbringung derzeit das größte Problem. Als
Provisorien seien Turnhallen und Zeltdörfer unvermeidlich, „das darf aber nicht
zum Dauerzustand werden“, mahnt Andreas Meiwes. Auch, weil jede Einschränkung
von Bürgern den derzeit noch herrschenden gesellschaftlichen Konsens in Frage
stelle. „Es ist die Aufgabe aller, dafür zu sorgen, dass die Stimmung nicht
kippt. Dazu gehört es einerseits Bedenken ernst zu nehmen und gleichzeitig
unnachgiebig und konsequent für Menschenfreundlichkeit einzustehen.“ Problem
bleibe auch die medizinische Versorgung, die durch die hohe Zahl der täglich
ankommenden Flüchtlinge nahezu unmöglich geworden ist. „Leider werden in
zunehmendem Maße ernste Erkrankungen und sogar akute Notfälle erst Tage nach
dem Eintreffen entdeckt“, so Meiwes. Er bittet die Kommunen, die vom
Landes-Gesundheitsministerium geschlossene Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen,
die einen unbürokratischen Zugang zum Gesundheitssystem per Chipkarte
ermöglicht, schnellstmöglich umzusetzen.
Darüber hinaus fordert die Caritas im Ruhrbistum schnellere Asyl-Verfahren.
„Wir brauchen alle Kapazitäten, für die, die bleiben. Für Menschen, die
wirklich keine Chance auf Anerkennung haben, muss das rechtlich schneller klar
sein.“ Mit Blick auf die Balkan-Flüchtlinge meint Meiwes: „Wenn doch klar ist,
dass sie nicht bleiben können, ist eine schnelle Rückführung besser. Ein langer
Aufenthalt hier erschwert die Reintegration in den Heimatländern.“ Dafür sei
das Bilden von Zentren zwar nicht optimal, „aber bei den Massen, wohl derzeit
anders nicht zu lösen.“ Deutschland könne nicht alle Menschen, die ihre
Lebenssituation verbessern wollen, aufnehmen. Gleichzeitig verwehrt sich Meiwes
gegen das Aufteilen in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse: „Asylrecht ist
und bleibt ein Grundrecht ohne Zahlen-Limit.“
Bischofsfonds fördert 35 Projekte
„Derzeit gibt es immer noch eine große
Hilfsbereitschaft. Wir können stolz sein, auf die Menschen hier im Ruhrgebiet“,
so Meiwes. Tagtäglich gehen bei der Caritas Hilfsangebote in großer Zahl ein.
„An vielen Stellen kommen wir nicht hinterher. Diese Hilfsbereitschaft muss
professionell organisiert und koordiniert werden. Dafür brauchen wir schnell
bezahlte Kräfte in der jeder Stadt“, so Meiwes. Wie etwa in Bochum: Neben der
einen Ansprechpartnerin bei der Stadt für das Ehrenamt gibt es bei der
katholischen Stadtkirche mit Pastor Köster einen kirchlichen
Flüchtlingsbeauftragten. Gemeinsam mit der Caritas und dem Katholikenrat wird
das ehrenamtliche Engagement der kirchlichen Gemeinden vernetzt. Bei der
Caritas gibt es Fachkräfte zur Beratung und Unterstützung.
Die Caritas selbst bietet nicht nur Möglichkeiten, sich einzubringen
(siehe
unten).
Bistum, Pfarreien und Caritas koordinieren in Runden Tischen Hilfe
und haben bereits mit einer Schulungsreihe für Ehrenamtliche begonnen. „Der
Andrang ist riesig. Die Caritas vor Ort wird die Schulungen jetzt in weiteren
Städten des Ruhrgebiets und im märkischen Sauerland anbieten“, kündigt Meiwes
an.
Niederschwellige Sprachkurse, Sportangebote und ein Zirkusprojekt: Mit dem Geld
aus dem von Bischof Overbeck aufgelegten Flüchtlingsfonds konnten bislang 35
Projekte mit rund 160.000 Euro finanziert werden. Die Projekte laufen in
Kirchengemeinden, kirchlichen Initiativen und der Caritas. Hauptaugenmerk ist
die Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit. Weitere Anträge sind möglich.
Übersicht über Hilfsmöglichkeiten
„Wir sind mitten in einem sehr langen
Sprint und haben dann noch einen Marathon vor uns. Wir werden unsere ganze
Kraft und Kondition brauchen für die Integration der Menschen“, so Meiwes.
Dafür seien vor allem Wohnungen, mehr Sprachkurse, die unbürokratische Anerkennung
von ausländischen Abschlüssen und gesetzliche Regelungen für einfachere
Arbeitsmöglichkeit nötig. Die Caritas sei nicht erst vor kurzem in die
Flüchtlingshilfe eingestiegen. „Das machen wir seit Jahrzehnten“, so Meiwes.
Diese Erfahrung bringe man derzeit in den Kommunen ein. Und: „Die Caritas hat
immer geholfen und wir werden auch dann noch da sein, wenn die Welle vorüber
ist, wenn keiner mehr über Flüchtlinge redet“, kündigt Meiwes an.
Kleiderkammern, Mittagstische, Deutschkurse, Vermittlung von Wohnungen,
Beratung in Notunterkünften, Erstaufnahme-Einrichtungen und
Übergangswohnheimen, Rückkehrer-Beratung, Traumatherapie, Patenschaften für
unbegleitet minderjährige Flüchtlinge, Ausbildung von Integrationslotsen: „Die
Caritas hilft im gesamten Bistumsgebiet nach Kräften, engagiert, professionell
und mit einer Vielzahl von Angeboten“, so Meiwes. Unter
www.cartias-essen.de/fluechtlinge
gibt es
einen Überblick, wo und wie die Caritas hilft und wie sich Ehrenamtliche
engagieren können.
„Gott heißt alle willkommen!“ Unter diesem Motto lädt die Caritas am Sonntag,
20. September, Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer nach Bochum ein. Anlässlich
des bundesweiten Caritas-Sonntages feiern Flüchtlingsfamilien und ehrenamtliche
Helfer um 9 Uhr einen Gottesdienst mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Danach
gibt es ein Begegnungsfest. Mit dem diesjährigen Caritas-Sonntag im Bistum
Essen will die katholische Kirche auf die Situation von Flüchtlingen hinweisen
und das wichtige Engagement am Beispiel der Stadt Bochum würdigen.
Michael Kreuzfelder
Caritasverband für das Bistum Essen e.V.
Leiter der Stabsstelle Kommunikation / Pressespreche
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