Kinder, die
missbraucht, misshandelt oder vernachlässigt werden, haben in Bochum einen
starken Partner an ihrer Seite: Seit nunmehr 20 Jahren bietet die ärztliche und
psychosoziale Beratungsstelle „Neue Wege“ den jungen Gewaltopfern und ihren
Familien ihre professionelle Hilfe an. Zum Jubiläum veranstaltete die
Caritas-Einrichtung vergangene Woche im Hörsaalzentrum des St. Josef-Hospitals
eine Fachtagung zum Thema „Sexueller Missbrauch an und durch geistig behinderte
Kinder und Jugendliche“.
Rund 120 Teilnehmer tauschten sich über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
und Praxiserfahrungen aus. „Wir haben uns bewusst für dieses Thema
entschieden“, erklärt Monika Bormann, Leiterin von „Neue Wege“. „In unserer
Beratungsstelle haben wir immer wieder Anfragen von Ratsuchenden mit einer
Intelligenzminderung. Aufgrund ihrer begrenzten Widerstandsmöglichkeiten werden
geistig behinderte Kinder leichter Opfer sexueller Gewalt.“ Fakt ist aber auch,
dass Kinder mit Intelligenzminderung selbst sexuell übergriffig und gewalttätig
sein können.
Dennoch ist
diese Problematik bislang wenig erforscht und wurde lange Zeit tabuisiert. „Wir
wissen viel über sexuellen Missbrauch, genauso gibt es Fachleute für die Arbeit
mit geistig behinderten Menschen. Unser Anliegen ist es, beide Seiten
zusammenbringen“, sagt Monika Bormann. Als Referenten für den Fachtag konnten
mit Dr. Jürgen Knapheide vom LWL-Zentrum für forensische Psychiatrie in
Lippstadt-Eickelborn und Monika Egli-Alge, Leiterin des Forensischen Instituts Ostschweiz,
zwei namhafte Experten für die therapeutische Arbeit mit intelligenzgeminderten
Tätern gewonnen werden. Den Blick auf die Situation geistig behinderter Opfer
von sexuellem Missbrauch lenkte Elke den Brave, Mitarbeiterin der Bochumer
Beratungsstelle „Wildwasser“, während die theaterpädagogische werkstatt aus
Osnabrück ihre Präventionsarbeit für Kinder mit besonderem Förderbedarf
vorstellte. Den Abschluss bildete eine Publikumsdiskussion, an der u. a. auch
Gabriele Beckmann vom Düsseldorfer Gesundheitsministerium teilnahm.
In allen Beiträgen wurde deutlich, dass Kinder und Jugendliche mit geistiger
Behinderung sowohl als Opfer als auch als Täter eine spezifische Begleitung und
Behandlung benötigen. „Wir müssen bei unserem Hilfeangebot die eingeschränkte
kognitive, soziale und emotionale Entwicklung dieses Personenkreises
berücksichtigen“, betont Werner Meyer-Deters, der in der Abteilung Ambulante
Rückfallvorbeugung von „Neue Wege“ minderbegabte jugendliche Täter betreut.
„Diese Kinder und Jugendlichen haben eine andere Wahrnehmung und ein eigenes
Tempo, herkömmliche Therapien sind dafür nicht geeignet.“
Da intelligenzgeminderte Menschen in Bezug auf sexuelle Gewalt nur über ein
geringes Wissen verfügen und kaum ein Bewusstsein für Grenzen besteht, ist es
nach Ansicht der Fachleute außerdem dringend erforderlich, die Mitarbeiter
stationärer Einrichtungen zu schulen und die Eltern in diesen Prozess mit
einzubeziehen.
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Jubiläumsveranstaltungen von „Neue Wege“