Als die Bochumer Bahnhofsmission im Jahr 1921 ihre Arbeit
aufnahm, wollten die Initiatoren etwas gegen die „unhaltbaren Verhältnisse am
hiesigen Bahnhof und die Unsicherheit der Stadt“ unternehmen. Sicherlich hat
sich in Bochum seitdem viel verändert, trotzdem hat die Bahnhofsmission auch
heute noch ihren festen Platz im sozialen Gefüge der Stadt. Diese Woche feierte
die Einrichtung im Bochumer Hauptbahnhof ihr 90-jähriges Bestehen. Als
Gratulanten waren u. a. Bürgermeisterin Gabriele Schäfer, Diakonie-Pfarrerin
Ursula Borchert, Superintendent Peter Scheffler sowie Bahnhofsmanager
Karl-Wilhelm-Drews erschienen.
Das
Erfolgsrezept der ökumenisch geführten Mission ist zeitlos: Zwei Hauptamtliche
und derzeit 23 Ehrenamtliche sind immer dann zur Stelle, wenn Menschen am
Hauptbahnhof alleine nicht mehr weiter wissen. Das sind zum Beispiel ältere
oder behinderte Reisende, die im Zugverkehr auf fremde Hilfe angewiesen sind,
oder auch suchtkranke und wohnungslose Frauen und Männer, deren
Lebensmittelpunkt der Bahnhof ist. „Für diese Menschen haben Sie immer ein
offenes Ohr und geben ihnen inmitten des hektischen Bahnhofbetriebs so etwas
wie ein Zuhause“, würdigte Diakonie-Pfarrerin Ursula Borchert in ihrem Grußwort
die Verdienste der Einrichtung.
Im vergangenen Jahr verzeichnete die Bahnhofsmission 21.816 Kontakte. Neben den
klassischen Reisehilfen hat in letzter Zeit insbesondere die Zahl der
Jugendlichen unter 18 Jahren zugenommen, aber auch ältere Menschen suchen die
Bahnhofsmission vermehrt auf. Daria Sengüner, Caritas-Mitarbeiterin und Leiterin
der Einrichtung, führt diese Entwicklung auf die wachsende Perspektivlosigkeit
der jungen Generation sowie die Ausweitung von Altersarmut zurück. In der
Bahnhofsmission können sich die Betroffenen bei einer Tasse Kaffee ihre Sorgen
von der Seele reden und sich aufwärmen. Auf Wunsch vermitteln die Mitarbeiter
außerdem den Kontakt zu weiterführenden professionellen Hilfestellen.
Das Angebot ist kostenlos und kann von
jedem ohne Anmeldung oder sonstige Zugangsvoraussetzungen in Anspruch genommen
werden. Auch dann, wenn andere Beratungsstellen schon längst geschlossen haben.
„Das was Sie hier leisten, ist ganz konkret ein christlicher Dienst am
Nächsten“, verdeutlichte Caritasdirektor Ulrich Kemner auf der Jubiläumsfeier
die Zielsetzung der Bahnhofsmission. Bürgermeisterin Gabriele Schäfer ergänzte:
„Ihre Hilfe ist für die, die sie in Anspruch nehmen, unbezahlbar.“
In den vergangenen 90
Jahren hat die Bahnhofsmission ihre Arbeit immer wieder an die Nöte der Zeit
angepasst. Bei der Gründung kurz nach dem Ersten Weltkrieg stand vor allem der
Schutz junger Frauen im Vordergrund, die auf der Suche nach Arbeit von den
Dörfern in die Städte strömten und die „vor schlechten Elementen“ sowie „vor
Verschleppung“ behütet werden sollten. Zu diesem Zweck unterhielt die Mission
damals sogar ein eigenes Wohnheim an der Jägerstraße (heute: Viktoriastraße),
bis die Nationalsozialisten das soziale Engagement unterbanden.
Nach
Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Bahnhofsmissionen ihre Arbeit sofort
wieder auf, um sich als erste Anlaufstelle in der Stadt um Flüchtlinge und
Kriegsheimkehrer zu kümmern. In den Folgejahren gehörten Erholungsfahrten für
Stadtkinder und Hilfen für Interzonen-Reisende zum Aufgabenprofil der
Bahnhofsmission. In den 80er benötigten dann vor allem Aussiedler und
Asylsuchende Unterstützung.
„Bei uns ist immer was los, kein Tag ist wie der andere“, erzählt Martina
Scheer, hauptberufliche Mitarbeiterin der Diakonie Bochum in der
Bahnhofsmission. „Aber gerade deshalb macht die Arbeit auch so viel Spaß.“ Ohne
den persönlichen Einsatz der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, die zum Teil
schon seit Jahrzehnten in der Einrichtung tätig sind, könnte das umfassende Hilfeangebot
jedoch nicht aufrechterhalten bleiben. Die Bochumer Bahnhofsmission freut sich
daher immer über weitere freiwillige Helfer. Die Interessenten sollten
mindestens 20 Jahre alt sein und Freude am Umgang mit anderen Menschen haben.
Bahnhofsmission Bochum, Telefon: 0234 / 6 61 47,
mailto:bahnhofsmission@caritas-bochum.de