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m letzten
Ausbildungsjahr standen NRW-weit 136.400 ausbildungssuchend gemeldeten
Bewerbern nur 110.800 Ausbildungsstellen gegenüber – dies bedeutet eine
Ausbildungslücke von 25.600 Stellen.
Auch in
Bochum gibt es eine Differenz zwischen Angebot und Nachfrage: Auf 2.098
gemeldete Ausbildungsstellen kommen 2.734 gemeldete Bewerber. Der Datenreport
der Freien Wohlfahrtspflege belegt, dass Ende September 2016 landesweit noch
23.078 Ausbildungsbewerber unversorgt waren oder aus einer Alternative heraus
weiter nach einem ihrem Wunsch entsprechenden Ausbildungsplatz suchten. In
Bochum waren zu diesem Stichtag 522 Ausbildungsbewerber*innen unversorgt.
Allein statistisch gesehen fehlen in Bochum 636 Ausbildungsstellen.
Der Arbeitslosenreport NRW stellt außerdem fest, dass das Ausmaß der
Angebotslücke noch weitaus größer ist. Um realistisch für alle Jugendlichen ein
auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen vorzuhalten, wäre ein
Ausbildungsplatzüberhang nötig. Bereits in den 1970er Jahren legte man dafür
einen Richtwert von 12,5 Prozent fest. Demnach wäre in Bochum für das letzte
Ausbildungsjahr erst bei einem Ausbildungsplatzangebot von 3.076 Stellen
(tatsächlich nur 2.098 Stellen) von einer entspannten Lage am Ausbildungsmarkt
zu sprechen.
Trotz des seit Jahren diagnostizierten Fachkräftemangels ist in vielen Branchen
eine notwendige signifikante Erhöhung der Ausbildungsanstrengungen nicht zu
erkennen. "Wenn die Prinzipien von Angebot und Nachfrage nicht
funktionieren"
,
kommentiert Ulrich Kemner, Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft der Bochumer Wohlfahrtsverbände und Caritasdirektor diese
Daten, "sollte von öffentlicher Seite aus nachgesteuert werden."
Deshalb fordert die Freie Wohlfahrtspflege die Landesregierung auf, auch
die Chancen einer Ausbildungsplatzabgabe in NRW ernsthaft zu prüfen.
Der Arbeitslosenreport NRW warnt, dass die anhaltende Ausbildungsplatzlücke
dazu führt, dass der Anteil jugendlicher Arbeitsloser ohne Berufsabschluss
steigt. NRW-weit haben 68 Prozent der Arbeitslosen unter 25 Jahren keinen
Berufsabschluss. Auch in Bochum sind 75 Prozent der Arbeitslosen unter 25
Jahren ohne Ausbildung. Erschreckend ist außerdem, dass 18 Prozent der
Arbeitslosen unter 25 Jahren in 2016 keinen Schulabschluss haben. Landesweit
sind es sogar 22 Prozent.
Gerade Jugendliche, die Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu finden bzw.
eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen, brauchen Unterstützung und Förderung
durch intensive ausbildungsvorbereitende und ausbildungsbegleitende Maßnahmen.
Allerdings weist der Arbeitslosenreport NRW im Gegenteil nach, dass landesweit
ein Rückgang bei ausbildungsunterstützenden Maßnahmen für Jugendliche
festzustellen ist. Vor allem ausbildungsbegleitende Maßnahmen sind stark
rückläufig. Wurden 2012 noch knapp 28.000 ausbildungsbegleitende Maßnahmen
gefördert, waren dies im Zeitraum von November 2015 bis Oktober 2016 nur noch
knapp 18.750. Auch in Bochum ist in diesem Zeitraum ein Rückgang von 130
ausbildungsbegleitenden Maßnahmen zu verzeichnen.
"Aus unserer Sicht ist das eine fatale Entwicklung", erklärt Ulrich
Kemner. "Solange keine Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt erreicht ist,
sollten und müssen berufsvorbereitende, ausbildungsbegleitende und
-unterstützende Angebote durch die Agentur für Arbeit und durch das Jobcenter
in ausreichender Zahl gefördert werden." Nicht versorgte
Ausbildungsplatzbewerber*innen benötigten Alternativen, wenn kein betrieblicher
Ausbildungsplatz gefunden wird. Nur so könne ein späterer Hartz IV-Bezug
vermieden werden.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW
veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Darin
enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind
Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede
Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Hinzu kommen Kennzahlen zu
Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in
Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen.
Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege
NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der
Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den
öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von
Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle
Arbeitsmarktberichterstattung kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere
die Situation in Nordrhein-Westfalen zu beleuchten. Alle Ausgaben des
Arbeitslosenreports sowie weiterführende Informationen unter:
http://freiewohlfahrtspflege-nrw.de/initiativen/arbeitslosenreport-nrw/