"Mit Ihrem
Beratungsangebot leisten Sie eine wichtige gesellschaftspolitische Arbeit.
Dafür danke ich Ihnen im Namen unserer Stadt ganz herzlich." Diese
anerkennenden Worte der Bochumer Bürgermeisterin Gaby Schäfer galten am
vergangenen Freitag den Mitarbeiterinnen der Katholischen Ehe-, Familien- und
Lebensberatung (EFL). Die Einrichtung, die seit 2007 im
Caritas-Beratungszentrum an der Ostermannstr. 32 in Bochum-Wiemelhausen
beheimatet ist, feierte am Nachmittag ihr 50-jähriges Bestehen.
Dem Festakt vorangestellt war eine Heilige Messe mit Prälat Dr. Michael
Dörnemann, Leiter des Dezernats Pastoral im Essener Generalvikariat, in der
Kapelle des Beratungszentrums. In seiner Predigt nahm er Bezug auf die aktuelle
Papst-Schrift "Amoris Laetitia", mit der die Leistung der EFL in den
vergangenen fünf Jahrzehnten angemessen gewürdigt werde. Denn darin fordere der
Papst exakt das, was die EFL seit jeher leiste: die individuelle seelsorgliche
Begleitung von Paaren und Familien. Diese sei insbesondere in Krisen- und
Konfliktsituationen wichtig und notwendig.
Dass dieses Angebot heute stärker nachgefragt wird als je zuvor, machte
Caritasdirektor Ulrich Kemner in seinem Grußwort beim anschließenden Empfang im
benachbarten Hospiz St. Hildegard deutlich: "In den letzten 20 Jahren hat
sich die Zahl der Beratungsgespräche um 24 Prozent erhöht, die Anzahl der
Ratsuchenden sogar um fast 80 Prozent. Die Konflikte in Partnerschaft und
Familie haben zugenommen, die Anerkennung eines an Werte gebundenen, ja kirchlichen
Trägers mit seinen Hilfeangeboten ebenso." Zugleich betonte Kemner, dass
das niederschwellige, offene und kostenlose Beratungsangebot nur deshalb
möglich sei, da nicht unwesentliche Zuweisungen aus den Kirchensteuermitteln
erfolgen würden.
Geld, das nach Überzeugung von Manuela Sieg, Leiterin des evangelischen
Beratungszentrums der Diakonie in Bochum, gut investiert ist: "Mit der
Ehe-, Familien und Lebensberatung stehen die beiden christlichen Kirchen im
direkten Dialog mit den Menschen. Die Nachfrage wird bestimmt nicht
geringer." Auch deshalb – darin waren sich alle Redner einig –, weil die
Ratsuchenden es zu schätzen wüssten, dass sich konfessionellen Beratungsstellen
für das Gelingen von Partnerschaft stark machen. Jürgen Holtkamp, Leiter der Abteilung
Beratung, Erziehung und Familie beim Caritasverband für das Bistum Essen,
brachte dieses besondere Merkmal auf den Punkt: "Wir glauben an
Beziehungen."
Von der EFL werden aber nicht nur Paare begleitet, sondern auch Menschen, die
alleine nicht mehr weiter wissen und professionelle Hilfe und Begleitung
brauchen. Diese machen sogar den Großteil der Gespräche aus. So waren im
vergangenen Jahr 65 Prozent der Fälle Einzelberatungen, bei 35 Prozent handelte
es sich um Paarberatungen. Stadtdechant Michael Kemper verwies in diesem
Zusammenhang auf die seelsorgliche Dimension der Gespräche: "Wir können
auf einen Gott vertrauen, der gerade den Menschen nahesteht, die sich auf der
Suche befinden."
Eben diese Schnittstelle zwischen Seelsorge und Psychotherapie sei sowohl die
Stärke als auch das Handicap der EFL, so die Diagnose von Dr. Markus Wonka,
Leiter der EFL-Hauptstelle im Bistum Münster, der in seinem Festvortrag
"Ehe-, Familien- und Lebensberatung – beraterische Restkategorie und
Kleinod?" die besondere Stellung der EFL innerhalb der Beratungslandschaft
in den Blick nahm. Die EFL sei keine spezialisierte Fachberatung, sondern ein
offenes Gesprächsangebot, das dem Menschen in der pluralen Welt der Moderne
Orientierung bieten würde. "Die Freiheit, die wir heute in unserer
Lebensgestaltung haben, ist für viele auch eine Überforderung. Sie benötigen
aber nicht gleich eine Therapie, sondern suchen Beratung." Die
Inanpruchnahme einer solchen Beratung in grundlegenden Lebensfragen sei daher
auch als Prävention ernsthafter Erkrankungen zu verstehen. "Leider wird
die EFL jedoch von den öffentlichen Kostenträgern oft als beraterische
Restkategorie gesehen, für die höchstens eine Förderung als freiwillige
Leistung vorgesehen ist."
Dennoch hat sich die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in den letzten 50
Jahren ihren festen Platz in Bochum und Wattenscheid erobert. In 2015 haben die
drei hauptamtlichen Beraterinnen Elisabeth Scheffler, Mechthild Steden und
Susanne Pohl zusammen mit den Honorarkräften in den Nebenstellen in
Wattenscheid, Hattingen und Schwelm über 1.500 Gespräche geführt. Themen waren
u. a. Mobbing am Arbeitsplatz, Burn-out, schwere körperliche oder psychische
Erkrankungen. Aber auch Trennung und Scheidung, Sexualität und Konflikte in der
Partnerschaft sowie Probleme von Alleinerziehenden spielten ebenfalls eine
große Rolle.
Foto: Jürgen Theobald / FUNKE
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