Im
Rahmen eines vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
geförderten Modellprojekts sollen Kinder, die in Heimen oder Internaten leben,
zukünftig besser vor sexuellem Missbrauch geschützt werden. Im Auftrag der
DGfPI – Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei
Kindesmisshandlung und -vernachlässigung werden in den nächsten dreieinhalb
Jahren Mitarbeiter umfassend geschult und beraten. In der Region Ruhrgebiet,
Rheinland und Sauerland übernimmt die Bochumer Caritas-Beratungsstelle „Neue
Wege“ diese Aufgabe.
Dass
dringend Handlungsbedarf besteht, wurde nicht zuletzt in der vergangenen Woche
bei der Veröffentlichung des Abschlussberichtes der Bundesbeauftragten zur
Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern deutlich. Danach sind 32
Prozent der Opfer, die sich an die telefonische Anlaufstelle der
Bundesbeauftragten gewandt haben, in Institutionen der Kirche oder anderer
Verbände missbraucht worden. Was dabei besonders schockiert, ist die Tatsache,
dass die Vielzahl der Fälle über Jahrzehnte nicht aufgedeckt und erst durch die
Enthüllungen im letzten Jahr öffentlich wurden.
Das soll sich jetzt mit der bundesweiten Fortbildungsinitiative ändern:
Neben der Erarbeitung verbindlicher Verfahren bei vermuteten oder erwiesenen
Fällen von sexueller Gewalt, geht es insbesondere darum, in den Einrichtungen
Strukturen zu schaffen, die Missbrauch verhindern oder zumindest erschweren.
„Um Kinder zu schützen und Gefährdungen zu erkennen, benötigen die Mitarbeiter
ein umfassendes Wissen über sexualisierte Gewalt. Aber auch grundlegende
Haltungen wie Wertschätzung und Achtung, Transparenz und Offenheit,
Mitbestimmung und Partizipation spielen eine bedeutende Rolle“, erklärt Werner
Meyer-Deters, Mitarbeiter von „Neue Wege“ und Beauftragter für das
Bundesmodellprojekt.
Vor allem müssen Kinder die Möglichkeit haben, sich jemandem anzuvertrauen
und von dem Erlebten zu berichten. Monika Bormann, Leiterin von „Neue Wege“
weiß aus Erfahrung: „Für Missbrauchsopfer ist es das Schlimmste, wenn ihnen
nicht zugehört wird oder die Umwelt abweisend reagiert.“ Genauso fatal ist es,
wenn Kollegen bei Verdachtsmomenten wegsehen und nicht eingreifen. „Die
Mitarbeiter müssen lernen, irritierende Wahrnehmungen offen anzusprechen“,
fordert Werner Meyer-Deters.
Dem Diplom-Sozialpädagogen liegen inzwischen 22 Anfragen von Kinderheimen
aus NRW vor, die von dem Fortbildungsangebot Gebrauch machen möchten. In einem
Erstgespräch mit den Leitungen erfolgt vor Ort zunächst eine Bestandsaufnahme
zur Organisation der Einrichtung, über Erfahrungen im Umgang mit sexuellem
Missbrauch und die Erwartungen der Beteiligten. Die eigentliche Schulung
umfasst 8 bis 10 Termine, für die die Einrichtungen lediglich einen Eigenteil
von 100 Euro pro Tag erbringen müssen. Werner Meyer-Deters: „Das
Bundesministerium unterstützt die Fortbildungsoffensive bis 2014 mit 4,3
Millionen Euro, um möglichst vielen Trägern die Teilnahme zu ermöglichen.“
Auch die Bochumer Caritas beteiligt sich als Kooperationspartner an den
Kosten. „Als katholischer Wohlfahrtsverband mit einem Arbeitsschwerpunkt in der
Kinder- und Jugendhilfe wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Kinder und
Jugendliche vor Misshandlungen geschützt werden“, begründet Caritasdirektor
Ulrich Kemner die Entscheidung. Er fügt hinzu: „Natürlich freuen wir uns auch
darüber, dass unsere Fachstelle unter 30 landesweiten Bewerbern den Auftrag
erhalten hat. Wir sehen darin eine Wertschätzung für das nunmehr fast
20-jährige Engagement von Neue Wege.“
Kurzinformation:
Einrichtungen aus dem Ruhrgebiet, Sauerland oder Rheinland, die an der
Durchführung der Fortbildung interessiert sind, können mit „Neue Wege“ Kontakt
aufnehmen, Telefon: 0234 / 30705-19, E-Mail:
werner.meyer-deters@caritas-bochum.de
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