URL: www.caritas-bochum.de/aktuelles/presse/eine-jugend-hinter-stacheldraht-3607b1f5-2910-4375-8e8f-5e1dcf8f2c14
Stand: 07.05.2019

Pressemitteilung

"Eine Jugend hinter Stacheldraht"

Willy Birkemeyer

Als 16-jähriger Flak-Helfer wurde der Bochumer Willy Birkemeyer von den Sowjets gefangen genommen. Seine Erlebnisse als junger Kriegsgefangener hat er in seiner Autobiographie „Eine Jugend hinter Stacheldraht“ verarbeitet. Der mittlerweile 80-Jährige las jetzt im Caritas-Fachseminar für Altenpflege aus seinen Erinnerungen und beeindruckte die jungen Zuhörer mit seinem authentischen Bericht.

Aufgewachsen in Bochum-Gerthe zieht Willy Birkemeyer 1945 als überzeugter Hitler-Anhänger in den Krieg, um an der Ostfront für den vermeintlichen „Endsieg“ zu kämpfen. „Ich war stolz, endlich den richtigen grauen Rock zu tragen“, erzählt der Autor mit erstaunlicher Offenheit von seiner damaligen Begeisterung für die NS-Ideologie. Dass das Ende des Krieges und der Untergang des Dritten Reiches unmittelbar bevorstanden, ahnte er damals noch nicht. Erst als er nahe Breslau in russische Kriegsgefangenschaft gerät und auf dem 2000 Kilometer langen Fußmarsch nach Kiew mit Hunger, Krankheit und dem Tod von Kameraden konfrontiert wird, gerät sein Weltbild ins Wanken. Willy Birkemeyer erinnert sich: „Es war eine harte Zeit. Wir haben uns fast die Köpfe eingeschlagen, um an einen Bissen Brot zu kommen. Auch die hygienischen Verhältnisse waren unvorstellbar.“

Aber er machte auch andere Erfahrungen, die ihn veranlassten, sein Bild von den „jüdisch-bolschewistischen Untermenschen“ zu revidieren. Als einer der Jüngsten im Lager erfährt er Mitgefühl und Hilfe durch den ehemaligen Gegner. Krankenschwestern besorgen ihm Schuhe, und der Jude Aljoscha pflegt ihn, als er zu krank ist, um Zwangsarbeit zu leisten. „Ich habe während meiner über vierjährigen Gefangenschaft immer wieder Oasen der Menschlichkeit gefunden“, blickt der Kriegsveteran dankbar zurück und zeichnet ein versöhnliches Bild von seinen russischen Bewachern. Sogar Theater spielen durfte er im Gefangenenlager. Und mit der jungen Russin Nina erlebte er trotz aller Kontrollen und Vorurteile seine erste große Liebe.

Der Kontakt zu Russland ist auch nach seiner Entlassung im September 1949 nicht abgebrochen. Unzählige Male reiste er als Prokurist einer Bergbauzulieferfirma in die Sowjetunion und engagierte sich für die Versöhnung der beiden Staaten. So wurde durch seine Initiative u. a. die Städtepartnerschaft zwischen Bochum und Donezk gegründet. Sein Buch, das inzwischen in einer russischen Übersetzung erschienen ist und bald auch in englischer Sprache vorliegen wird, versteht Willy Birkemeyer als Mahnung an die heutige junge Generation, sich nicht blind von Vorurteilen lenken zu lassen. In den letzten Jahren hat er deshalb mehr als 100 Lesungen, zumeist in Schulen, abgehalten.

Sein Besuch im Fachseminar für Altenpflege hat bei den Jugendlichen einen tiefen Eindruck hinterlassen. „Im Rahmen der Ausbildung befassen sich unsere Schülerinnen und Schüler mit der Biographie und der Sozialisation älterer Menschen“, schildert Waltraud Vonhoff, Dozentin der Caritas-Einrichtung an der Ostermannstraße. „So lebendig und mitreißend kann aber nur ein Zeitzeuge die Geschichte der Kriegsgeneration darstellen.“

Annette Schade
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Caritasverband für Bochum e.V.
Huestr. 15
D 44787 Bochum
Tel.: +49 / 234 / 9 64 22-64
Fax: +49 / 234 / 6 42 25
e-Mail: annette.schade@caritas-bochum.de
www.caritas-bochum.de