Wer wenig Geld hat, ist
häufiger und länger krank als Menschen mit hohem Einkommen. Und nicht nur das –
Armut verringert sogar die Lebenserwartung. Eine schockierende Tatsache gerade
in Deutschland, das zu einem der reichsten Länder der Erde zählt. Um auf diesen
Missstand hinzuweisen, veranstaltete die Caritas Bochum und Wattenscheid am
vergangenen Samstag als Auftakt zum Caritas-Sonntag in der Bochumer Innenstadt
einen Informations- und Aktionstag.
Mit Infoständen, gesundem Essen und einem Bühnenprogramm,
das auf einen unterhaltsamen Mix aus Musik und Fachgesprächen setzte, versuchte
die Caritas, die Aufmerksamkeit der Passanten und Gäste auf das Thema „Armut“
zu lenken. Keine einfache Aufgabe, waren doch die meisten Menschen an diesem
Tag in die Bochumer Innenstadt gekommen, um entspannt das Wochenende zu
genießen. Dennoch gelang es der Caritas – nicht zuletzt durch die charmante
Moderation der „WDR 2-Stimme“ Uwe Schulz – das Interesse vieler Bürger für ihr
Anliegen zu gewinnen. Das unerwartet freundliche Wetter tat sein Übriges und
sorgte dafür, dass der Platz durchgehend gut besucht war.
An der Veranstaltung nahmen neben zahlreichen Mitarbeitern
und Ehrenamtlichen des katholischen Wohlfahrtsverbands auch Vertreter der
Kommunal- und Landespolitik teil. Heike Reinecke vom
NRW-Gesundheitsministerium, Michael Sprünken vom Gesundheitsamt der Stadt
Bochum sowie die Caritasdirektoren Andreas Meiwes und Ulrich Kemner erörterten
im Rahmen einer Podiumsdiskussion, wie die Gesundheit armer Menschen verbessert
werden kann. Dabei setzen Caritas und Politik vor allem auf Prävention.
Idealerweise müssten schon im Kindesalter die Weichen für eine gesunde
Lebensführung gestellt werden.
Ein besonderes Hindernis sahen
die Teilnehmer in der Praxisgebühr: "Als Steuerungsinstrument hat sie
völlig versagt. Stattdessen werden benachteiligte Menschen durch die
Praxisgebühr davon abgehalten, frühzeitig zum Arzt zu gehen", kritisierte
Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes. Zwar sei das solidarisch ausgerichtete
deutsche Gesundheitssystem eines der besten der Welt, doch hätten nicht alle
die gleichen Zugangsvoraussetzungen. Meiwes forderte daher: "In
Deutschland darf Gesundheit nicht länger von Einkommen, Bildung oder dem
Aufenthaltsstatus eines Menschen abhängen."
Besondere Aktualität erhält das Thema „Armut“ durch den
kürzlich veröffentlichten Armutsbericht der Bundesregierung: „15 Prozent der
Deutschen sind armutsgefährdet“, berichtete Ulrich Kemner, Direktor der Caritas
für Bochum und Wattenscheid. “Für diese Menschen sind wir heute hier, denn die
Caritas versteht sich als Anwalt Benachteiligter in Deutschland.“
Im Anschluss berichteten Praktiker der sozialen Arbeit von
ihren Erfahrungen. Dabei wurde deutlich, wie belastend Armut und Krankheit für
Menschen sein können. Ulrike Langer, Leiterin des Bochumer Frauenhauses,
appellierte an Freunde, Nachbarn und Verwandte: "Wenn Sie Not sehen,
versuchen sie zu helfen!“
Ein besonderer Hingucker waren
nicht zuletzt die Bilder von Andre Zelck, die im Großformat den Platz
überragten. In sensiblen und zugleich ausdrucksstarken Momentaufnahmen hat der
Essener Fotograf Alltagszenen in Bochumer Familien festgehalten, die am Existenzminimum
leben.
Zum Abschluss der zentralen Veranstaltung zum Jahresthema im
Ruhrbistum zelebrierte Weihbischof Franz Vorrath, der Bischofsvikar für die
Caritas ist, die Heilige Messe in der Liebfrauenkirche in Bochum-Altenbochum.
Auch diese war voll und ganz auf die aktuelle Caritas-Kampagne abgestimmt. So
erklangen in der Kirche u. a. die Stimmen von Betroffenen, die über ihren
belastenden Alltag am Rande der Gesellschaft berichteten.
Vorrath appellierte in seiner Predigt an die Gläubigen: „Die
Erkenntnis, dass Armut oft mit Krankheit einhergeht oder dass Herkunft die
Bildungschancen entscheidend beeinflusst, darf für uns kein akademisches
Glasperlenspiel werden. Für uns (als Christen) sind es Rufe Gottes an unsere
Talente, an unsere Gaben, an unser Gewissen.“ Er forderte dazu auf, die
„Zeichen der Zeit“ zu erkennen, über die Grundstücksgrenzen der Pfarrei hinaus
zu denken, Mut zu haben und „Hinauszugehen“ um Gottes und der Menschen Willen.
Er zitierte Mutter Theresa: „Kennt Ihr die Armen eurer Stadt, eurer
Gemeinde?“