Das Bochumer
Christophorushaus blickt in diesem Jahr auf ein denkwürdiges Jubiläum zurück:
Als am 13. November 1959 der Grundstein für die Einrichtung am Rand der
Bochumer Innenstadt gelegt wurde, entstand damit das erste stationäre
Wohnungslosenheim moderner Prägung im Ruhrgebiet. Gestern hatte der Bochumer
Caritasverband zu einer Feierstunde ins Christophorushaus geladen, bei der Weihbischof
Franz Vorrath und Andreas Sellner vom Kölner Diözesan-Caritasverband die
besonderen Verdienste des Hauses für wohnungslose Menschen würdigten.
Der Neubau des Christophorushauses mit seinen 80 Übernachtungsplätzen für
heimat- und berufslose Durchwanderer sowie Nichtsesshafte war zunächst umstritten.
Der Baubeginn verzögerte sich um zwei Jahre, weil Anwohner bis zum
Landesverwaltungsgericht zogen, um die Ansiedlung von Nichtsesshaften in ihrer
direkten Nachbarschaft zu verhindern. Dennoch konnten sich Caritas und Innere
Mission Bochum mit Unterstützung der Stadt, des Landschaftsverbands
Westfalen-Lippe und des Arbeitsamtes mit ihrem Vorhaben durchsetzen. Der Bedarf
war groß: Nachdem das nach dem Zweiten Weltkrieg provisorisch in einer Bochumer
Gaststätte installierte Übernachtungsheim der Evangelisch-Katholischen
Bahnhofsmission im Jahr 1957 geschlossen wurde, musste dringend ein alternatives
Hilfeangebot für wohnungslose Männer in Bochum geschaffen werden. Im neu
eröffneten Christophorushaus fanden die Betroffenen fortan eine Bleibe, in der
sie nicht nur übernachten, sondern sich je nach persönlicher Ausgangslage um
eine Arbeit oder um eine Wohnung bemühen konnten. Begleitet wurden die Männer
damals durch ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter von Caritas und
Innerer Mission sowie vom SKM Bochum.
Dieser sozialarbeiterische Ansatz wurde in den 70er Jahren weitergeführt und
ausgebaut, als sich in direkter Nachbarschaft des Christophorushauses eine
Arbeitstherapeutische Werkstatt, eine Suchtberatungsstelle und der SKM Bochum
ansiedelten und das bis heute erhaltene Rehabilitationszentrum gründeten. In
enger Kooperation mit diesen Fachdiensten bot das Christophorushaus nunmehr ein
umfassendes sozialtherapeutisches Hilfekonzept, das die soziale und berufliche
Wiedereingliederung wohnungsloser Männer zum Ziel hatte.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenngleich die Probleme, mit denen
Wohnungslose zu kämpfen haben, im Laufe der Zeit immer komplexer geworden sind.
Fast alle Männer, die das Christophorushaus aufsuchen, leiden unter einer
Suchterkrankung. Das Leben auf der Straße hat sie physisch und psychisch
gezeichnet. Viele sind verschuldet und haben keine oder nur eine geringe
Ausbildung. Andere müssen nach einer Haftstrafe ihr Leben neu organisieren. Gleichzeitig
sehen sich Betroffene und Mitarbeiter mit gestiegenen rechtlich-bürokratischen
Anforderungen konfrontiert: „Nicht selten stehen wir in unserer Arbeit zunächst
vor der Frage, wie kann diese Hilfe finanziert werden und welche Stelle ist in
unserem sozialen System zuständig“, wies Caritasdirektor Ulrich Kemner in
seiner Ansprache auf die zunehmende Bürokratisierung und Ökonomisierung des
Sozialen.
Weihbischof Franz Vorrath dankte dem Caritasverband Bochum und den Mitarbeitern
des Christophorushauses, dass sie sich trotz aller Widrigkeiten seit 50 Jahren
vorbehaltlos für Menschen einsetzen, die abgestürzt und an den Rand der
Gesellschaft gedrängt sind. Im Wortgottesdienst, den er zu Beginn der
Jubiläumsveranstaltung in der Arbeitstherapeutischen Werkstatt hielt, rief er
dazu auf, Armut und Ausgrenzung mit offenen Augen wahrzunehmen und dagegen
vorzugehen: „Es ist ein Kennzeichen der Gemeinde Jesu, dass sie die am Rande
nicht übersieht, sondern sie als Mitmenschen anschaut und ihnen dadurch das
Ansehen zuteilwerden lässt, das ihnen von Gott gegeben ist.“
Andreas Sellner vom Diözesan-Caritasverband Köln, der den Festvortrag zum
50-jährigen Bestehen des Christophorushauses hielt, machte deutlich, dass
gerade darin die zentrale Aufgabe von Caritas und Kirche zu sehen sei: „ Es ist
schon immer Auftrag der Caritas gewesen, an der Seite dieser Menschen für ein
Leben in Würde, eine Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft einzutreten und
hiernach unsere Hilfeangebote und Unterstützungsleistungen auszurichten.“ Diese
Aufgabe könne von der stationären Wohnungshilfe jedoch auch zukünftig nur in
guter Kooperation und Vernetzung mit anderen örtlichen Akteuren und mit
Unterstützung der Politik gelingen.
Das Christophorushaus
im Überblick:
Im letzten
Jahr wurden 99 Männer zwischen 17 und 71 Jahren in der sozialtherapeutischen
Rehabilitationseinrichtung betreut. Nach einer umfassenden Modernisierung im
Jahr 2000 verfügt das Haus heute über eine Kapazität von 36 Plätzen, die auf
drei Etagen in Ein- und Zweibettzimmern aufgeteilt sind. Neben Unterkunft und
Verpflegung gehören u.a. beratende und therapeutische Hilfen,
Beschäftigungsmaßnahmen, Schuldnerberatung, Freizeitangebote sowie eine
ambulante Nachbetreuung zum Angebot der Einrichtung. Die Finanzierung erfolgt
über den Landschaftsverband.